
Hilfsbereitschaft für andere bedeutet Glück für uns selbst
Ein Bauer brachte mit seinem Esel einen schweren Sack mit Korn zum Müller. Unterwegs rutschte der Sack vom Rücken des Esels und lag nun auf dem Weg. So sehr der Bauer sich auch bemühte, den Sack anzuheben, es gelang ihm nicht. Der Sack war für einen Mann alleine viel zu schwer. So blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten, dass jemand vorbei käme, der ihm helfen könne.
Nach gar nicht langer Zeit hörte er einen Reiter näher kommen. Doch am liebsten hätte sich der Bauer in ein Mauseloch verkrochen, als er erkannte, dass der Reiter der Graf aus dem naheliegenden Schloss höchstpersönlich war. Viel lieber hätte er natürlich einen anderen Bauern oder Handwerksburschen um Hilfe gebeten. Es schien ihm ganz unmöglich, einen so hochgestellten Herrn um Hilfe zu fragen.
Der Graf kam heran geritten, erkannte das Problem, stieg vom Pferd und sagte: „Wie ich sehe, hast du ein bisschen Pech gehabt, mein Freund. Da bin ich ja gerade rechtzeitig gekommen, um dir behilflich zu sein.“ Sprach`s und fasste den Sack an einem Ende. Der Bauer nahm das andere Ende und gemeinsam hoben sie den Getreidesack auf den Rücken des Esels.
Immer noch fassungslos stammelte der Bauer: „Mein Herr, wie kann ich Ihnen das vergelten?“
„Nichts leichter als das“, sagte der Edelmann.
„Wann immer du einen Menschen in Schwierigkeiten siehst, dann tue das gleiche für ihn!“
(Die Geschichte findest du auf https://www.eagle-vision-communication.de)
Eine wundervolle Erzählung, die zeigt, dass Hilfsbereitschaft eine Eigenschaft ist, die in jedem von uns steckt und der enorme Wichtigkeit zukommt. Nicht umsonst spielt gegenseitige Hilfe in sämtlichen Religionen eine Rolle. Judentum, Christentum und Islam gehen davon aus, dass die Hilfe für andere ein Gebot Gottes ist. Im Islam zählt die soziale Pflichtabgabe als Unterstützung der Bedürftigen sogar zu den fünf Säulen des Islams.
Auch Hinduismus und Buddhismus kennen Hilfsbereitschaft als Ausdruck von Religiosität. Die Hilfe für andere resultiert hier aus dem Glauben, dass alle Menschen untereinander verbunden sind und daher alles, was anderen schadet, auch einem selbst schadet.
Unabhängig davon, was Religionen über Hilfsbereitschaft sagen, bin ich der Meinung, dass anderen zu helfen etwas ist, was uns Menschen als Gemeinschaft ausmacht (ausmachen soll). Und es zählt aus meiner Sicht, dass Hilfsbereitschaft ehrlich und aufrichtig ist. Wir unterschätzen es oftmals, was es für einen anderen schon bedeuten kann, ihm die Haustüre aufzuhalten, weil beide Hände voll mit Einkaufstaschen sind oder in der Straßenbahn für jemand Älteren oder Bedürftigeren Platz zu machen, obwohl man selbst gerade schon recht müde vom Arbeitstag ist und nur mehr seine Ruhe haben möchte. Hilfsbereitschaft können wir aber auch dadurch leben, indem wir für andere da sind, wenn sie uns gerade brauchen. Das muss nicht immer nur eine Geldspende sein, sondern kann auch dadurch gelebt werden, dass man ein offenes Ohr hat und für jemand anderen eine Stütze in schwierigen Zeiten ist.
Oftmals habe ich den Eindruck, dass wir heutzutage unseren ständigen Blick ins Handy und die aufgesetzten Kopfhörer als Art Schutz verwenden, um Hilfsbedürftigkeit nicht mehr wahrzunehmen zu müssen und so auch unser Gewissen beruhigen, wenn wir Situationen nicht mehr „sehen“. Vergessen dürfen wir dabei aber nicht, dass auch wir selbst einmal in Situationen gelangen können, in denen wir zu Hilfsbedürftigen werden. Dann würden wir es bestimmt sehr traurig finden, keine Beachtung oder Unterstützung von anderen zu erhalten, obwohl wir sie dringend nötig hätten.
Und das Schöne an der Hilfsbereitschaft:
Jemand anderen zu helfen, hilft uns auch selbst. Eine internationale Studie (nachzulesen auf https://www.ehbonline.org/article/S1090-5138(16)30072-1/fulltext) hat nämlich ergeben, dass jemand, der sich um andere kümmert (egal, ob eigene Kinder, Enkelkinder oder ein Engagement für Menschen außerhalb der eigenen Familie), durchschnittlich auch länger lebt und das um etwa drei Jahre. Ein internationales Forscherteam analysierte hierfür das Sozialverhalten sowie die Lebenszeit von über 500 Menschen im Alter von 70 bis 103 Jahren. Zusätzlich gibt es auch Studien darüber, dass uns unsere Bereitschaft zu helfen, auch selbst glücklicher machen kann.
Hilfsbereitschaft hat also durchaus positive Effekte, für die es sich lohnt, in Situationen, in denen es vielleicht bequemer ist wegzuschauen, doch hinzuschauen und wenn es sein muss, anzupacken und anderen Menschen unter die Arme zu greifen.
Und falls du dir jetzt denkst, dass du gar nicht weißt, wo du anfangen sollst, da es so viel Hilfsbedürftigkeit auf dieser Welt gibt, so helfen dir vielleicht die Worte des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan:
We can´t help everyone, but everyone can help someone.
Ins Negative kann Hilfsbereitschaft allerdings dann umschlagen, wenn man anfängt, nur mehr für andere da zu sein und nicht mehr auf seine eigenen Bedürfnisse achtet. Das kann dann langfristig dazu führen, dass das soziale Engagement zu Stress führt, was wiederum negative Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit hat.
Es gilt also – wie überall – ein gesundes Mittelmaß zu halten.
Falls du also jemand bist, der zum Beispiel im Job aus dem Gedanken der Hilfsbereitschaft heraus automatisch sämtliche Arbeiten – auch Vertretungen für andere – an sich reißt, obwohl du selbst schon bis oben hin zu mit Arbeit bist, darfst du ruhigen Gewissens mal weniger hilfsbereit sein, an dich denken und einfach Nein sagen.
Und ich glaube nicht, dass du dadurch schlechtes Karma zu befürchten hast.
Wie schließlich schon Abraham Lincoln sagte:
Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können.
Im Umkehrschluss heißt das also: Man hilft den Menschen, wenn man für sie tut, was sie nicht selbst tun können.
Vielleicht kann uns dieser Gedanke helfen, etwas achtsamer zu werden, wenn es um Hilfsbedürftigkeit – in welcher Art auch immer – in unserer Umgebung geht.
Es würde mich sehr freuen, deine eigenen Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema zu hören oder zu lesen.

