
Familie – ein kostbares Gut?
Familie – wie geht es dir bei diesem Wort? Zaubert es dir ein Lächeln in dein Gesicht oder bringt es dich eher zum Augenrollen?
Ich für meinen Teil stelle fest: Je älter ich werde, desto mehr gewinnt für mich auch meine Familie wieder an Bedeutung, zumindest noch mehr als sie es sowieso schon die ganze Zeit über tat.
Familie ist wie ein Baum.
Die Zweige können in unterschiedliche Richtungen wachsen,
doch die Wurzeln halten zusammen. (Unbekannt)
Woran aber liegt es, dass mit dem Älterwerden Familie und Herkunft wieder ins Zentrum rücken, wo man doch zuvor so viel Zeit damit verbracht hat, seinen eigenen Weg zu gehen und sich von seinen Wurzeln (die für einen wahrscheinlich nicht immer nur Positives bedeuten) zu lösen?
Meine persönliche Wahrnehmung: Zu sehen, wie die Jahre vergehen, wie man selbst und auch das Umfeld älter wird, Dinge (vor allem der Tod) ihren natürlichen Lauf nehmen und Menschen unerwartete Schicksalsschläge erleiden, verändert den Blickwinkel auf vieles und lässt einen Dinge nicht mehr als selbstverständlich hinnehmen.
Und früher?
Wenn ich so darüber nachdenke, so war mir meine Familie immer schon wichtig.
Früher jedoch war für mich Familie selbstverständlich, und ich habe keinen Gedanken an irgendeine Vergänglichkeit verschwendet. Die Familie war einfach da. Die Eltern, um mir Grenzen zu setzen und den Spaß zu verderben (so schlimm war es dann meistens zum Glück doch nicht). Die Geschwister, um sich zu streiten und um gegenüber den Eltern motzen zu können, wie ungerecht man doch immer behandelt wird. Ein Elefantengedächtnis hatte ich damals, wenn es darum ging aufzuzeigen, was meine um nicht einmal ein Jahr jüngere Schwester schon alles früher durfte als ich. Zahlreiche elendslange Diskussionen mussten meine Eltern durchstehen, Wochenende für Wochenende. Um was es mir dabei ging: ums Prinzip, ich war schließlich ein ganzes Jahr älter und somit die größere Schwester. Dass es meiner großen Schwester mit mir genauso ging, konnte ich natürlich gut verdrängen.
Ja, und inzwischen: Jahre sind vergangen, die Wege haben uns in unterschiedliche Richtungen geführt und gemeinsame Zeit ist eben keine Selbstverständlichkeit mehr. Verstreut über drei Bundesländer bedarf es schon der Bereitschaft von allen, um halbwegs regelmäßige Treffen zustandekommen zu lassen.
Zeit, die wir uns nehmen, ist die Zeit, die uns etwas gibt. (Ernst Ferstl)
Und natürlich: Es ist schon immer wieder eine geballte Ladung Familie, die bei einem Treffen zusammen kommt, aber irgendwie auch nachvollziehbar. So viel gemeinsame Geschichte steckt in uns allen, so viele Erlebnisse (in positiver und negativer Hinsicht) verbinden uns. Hinzu kommen noch die eigenen Erfahrungen, die jeder von uns außerhalb der Familie gemacht hat sowie die unterschiedlichen Lebensweisen, die wir inzwischen haben und die bestimmt auch nicht immer für den anderen nachvollziehbar sind.
Und: Vielleicht gibt es auch noch unausgesprochene Worte/Verletzungen aus der Vergangenheit. Viel Potenzial also auch für Streitereien und Krisen, völlig klar.
Aber: Familie kann auch Zusammenhalt bedeuten und ein sich gegenseitig unter die Arme greifen, wann immer und in welcher Situation auch immer ein Familienmitglied Hilfe benötigt. Und all die Erlebnisse, die man vom kleinen Kind an bis hin ins Erwachsenenalter erlebt, sind ebenfalls zum Großteil mit der Familie verbunden und können auch Jahre später noch zum gemeinsamen Lachen oder vielleicht auch Weinen führen, wenn man sich bei Treffen daran erinnert. Wisst Ihr noch, damals…….?
Und: Wenn wir uns vor Augen führen, wie vergänglich alles ist und dass uns gemeinsame Zeit nicht ewig bleibt, fällt es uns vielleicht auch leichter, über Schwachstellen der anderen hinweg zu sehen und unseren (negativen) Emotionen, die vielleicht durch immer wieder gleiche Verhaltensweisen der anderen Familienmitglieder getriggert werden, nicht mehr ganz so viel Aufmerksamkeit zu schenken.
Wir sind schließlich alle einen Schritt weiter, erwachsener geworden und nicht (mehr) in der Vergangenheit gefangen.
Denke daran, dass die Gegenwart alles ist, was du hast.
Mache das „Jetzt“ zum Mittelpunkt deines Lebens. (Eckhart Tolle)
So gesehen könnte – sofern der Wille und auch ein bisschen Nachsicht vorhanden sind – auch die früher vielleicht konfliktbehaftete Beziehung mit einem Elternteil oder der Schwester/dem Bruder wieder in Richtung eines harmonischen Zusammenseins gehen, denn:
Das Erste, das der Mensch im Leben vorfindet,
das Letzte, wonach er seine Hand ausstreckt,
das Kostbarste, was er im Leben besitzt,
ist die Familie. (Adolph Kolping)
Es hilft vielleicht, dass wir uns dieser Kostbarkeit und auch ihrer Vergänglichkeit regelmäßig bewusst werden.

