Der Sinn der Stille
Zu einem Eremiten, der schon seit Jahren in einer Höhle lebte, kamen eines Tages Pilger. Sie fragten ihn: „Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben der Stille?“
Der Mönch war eben beschäftigt mit dem Schöpfen von Wasser aus einer Zisterne. Er sprach zu seinen Besuchern: „Schaut in die Zisterne, was seht ihr?“
Die Leute blickten in die tiefe Zisterne. „Wir sehen nichts“, meinten sie.
Als einige Zeit vergangen war, forderte der Einsiedler die Besucher erneut auf: „Schaut in die Zisterne. Was seht ihr?“
„Jetzt sehen wir uns selbst,“ antworteten sie.
Der Einsiedler sprach. „Als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig. Jetzt ist das Wasser ruhig. Das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht sich selbst.“
Die Stille stellt uns keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben.
Ernst Ferstl